Das Internationale Doktorandenkolleg (IDK) „Philologie. Praktiken vormoderner Kulturen, globale Perspektiven und Zukunftskonzepte“ der LMU München veranstaltete vom 14. bis 16. Juni 2023 die Konferenz „Beyond Comparison: Towards a Connected Philology“, die in den Räumen der Carl Friedrich von Siemens Stiftung stattfand. Forscherinnen und Forscher aus aller Welt und unterschiedlichen Fachrichtungen wie u.a. Wissenschafts- und Medizingeschichte, Finnougristik und Indologie diskutierten die kulturübergreifenden Verbindungen textlicher, linguistischer, aber auch historischer Natur. Mit dem Ziel, die nationalen Konzeptionen von Philologie zu überwinden, lag das Augenmerk der Konferenz auf den interkulturellen Beziehungen zwischen Menschen und der damit einhergehenden Mobilität von Texten.
In der ersten von drei Sektionen standen Textnetzwerke und deren Wiederverwendung in unterschiedlichen
Kontexten im Fokus. Bereits hier zeichnete sich ab, dass kulturelle Konnektivität eine anthropologische Konstante ist, die sich auch auf Texte auswirkt: Anhand verschiedener Beispiele konnte der wechselseitige Austausch zwischen mittelalterlichem Europa, Südwestasien, Südasien und Ostasien über Sprachgrenzen hinweg verfolgt werden. Dabei wurde ersichtlich, dass teils große Schwierigkeiten dabei bestehen, mit traditioneller philologischer Methodik kulturelle Verbindungslinien einwandfrei evident zu machen. Den ersten Tag der Konferenz beendete Prof. Dr. Glenn Most mit einem Vergleich der klassischen europäischen und chinesischen philologischen Tradition. Er teilte dabei sein Verständnis einer Philologie des 21. Jahrhunderts, die die Untersuchung philologischer Praktiken und der Fächergeschichten im interdisziplinären Austausch beinhaltet.
Eine weitere Perspektive kam in der zweiten Sektion hinzu: In den Präsentationen wurden weitere Beispiele des interkulturellen Kontakts innerhalb von Europa und Asien, aber auch zwischen den Kontinenten untersucht. Dabei wurden die traditionell angenommenen Richtungen kultureller Einflüsse überdacht, die sich viel eher als multidirektional erweisen. In der präzisen historischen Kontextualisierung in Kombination mit detaillierter Textanalyse erfolgte so ein Zusammenspiel zwischen traditioneller Philologie und neueren Ansätzen der Areal-, Übersetzungs- und Geschichtswissenschaften. Zum Abschluss der Sektion fand eine geführte Tour durch den Nymphenburger Schlosspark statt: Die Kunsthistorikerin Dr. Susanne Franke und die Neolatinistin Prof. Dr. Claudia Wiener zeigten, wie bei der Gestaltung der dortigen Statuen auf antike Mythologie zur Selbstinszenierung zurückgegriffen wurde.
Damit wurde eine historisch-politische Dimension eröffnet, die auch für
die dritte Sektion der Tagung von Bedeutung blieb. Hier wurden besonders Problemfelder der Philologien im 21. Jahrhundert deutlich: Wie ist mit politisch brisantem Material umzugehen? Welche Lehren sind aus dem Erbe der nationalistischen Philologie des 19. und 20. Jahrhunderts zu ziehen? Inwiefern stehen philologische und naturwissenschaftliche Erkenntnis in Spannung zueinander? Prof. Dr. Kapil Raj ging in der abschließenden Key Note auf unterschiedliche historische Vorgehensweisen ein, mit denen die Geschichte der Philologien betrachtet werden können.
Insgesamt wurde der genuin interdisziplinäre Ansatz, den das IDK verfolgt, auch während der Konferenz umgesetzt. Richtiggestellt wurde, dass weniger der Vergleich als Methode des Erkenntnisgewinns als vielmehr seine Verwendung zur Stabilisierung kultureller Hegemonien in Zweifel gezogen werden sollte. So sollten auffallende Ähnlichkeiten auf ihre Ursachen untersucht werden, was philologische Akteure, deren Praktiken und deren Netzwerke beinhaltet. „Connected Philology“ erweitert diese Bereiche um die Fachgeschichte in Kombination mit einem interdisziplinären Ansatz.
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