Dissertationsprojekt Maria Deischl
Arbeitstitel: Wirkprinzipien magischen Sprechens und Schreibens im medialen Kontext: christliche und jüdische magische Formeln in spätmittelalterlichen medizinischen Sammelhandschriften
Fach: Deutsche Sprache und Literatur des Mittelalters
Betreuerinnen: Prof. Dr. Beate Kellner (LMU), Prof. Dr. Eva Haverkamp-Rott (LMU)
In meiner Dissertation erforsche ich Wirkprinzipien magischen Schreibens oder Sprechens in komparatistischer Perspektive. Ziel ist es, mittel- und frühneuhochdeutsche sowie altjiddische Beschwörungs- und Segensformeln in medizinischen Sammelhandschriften des Spätmittelalters in ihrer interkulturellen Verflechtung zu erschließen. Damit steht eine Textgruppe im Fokus der Arbeit, die von der mediävistischen und judaistischen Forschung bisher nur selten untersucht wurde. Meine philologisch-literaturwissenschaftlich ausgerichtete Arbeit bietet das Potenzial, ergänzend zu den überwiegend kulturanthropologischen Arbeiten der bisherigen Magie-Forschung, neue Erkenntnisse über Wirkweisen magischen Sprechens und Schreibens zu erbringen. Dies soll anhand folgender Leitfragen geschehen:
In einem ersten Schritt soll gefragt werden, wie durch Wort und Schrift magische Wirkung übertragen wird und welchen Namen, Wörtern oder (Schrift-)zeichen magische Wirkkraft zugesprochen wird. Von Interesse ist hier auch, welche Reflexe einer parallelen mündlichen Tradition sich in der schriftlichen Überlieferung der magischen Formeln widerspiegeln. Untersucht werden soll zudem, auf welche Art und Weise heilige Texte (Bibel, Talmud, …) für magische Zwecke funktionalisiert wurden und welche Rolle Mehrsprachigkeit in den magischen Formeln (insbesondere die linguae sacrae, Latein und Hebräisch) spielt. Darauf aufbauend werden Medialität und Materialität der schriftmagischen Formeln in den Blick genommen, besonders welche Beschreibstoffe (Stein, Haut, …) und Schreibstoffe (Blut, Weihwasser, …) eingesetzt werden und welche Modi des Schreibens (einritzen mit einem Messer, rückwärts schreiben, …) Verwendung finden. In überlieferungsgeschichtlicher Hinsicht stellt sich die Frage, nach welchen Sammlungsprinzipien die Beschwörungen und Segen in spätmittelalterliche medizinische Handschriften aufgenommen wurden und wie sie mit den anderen Inhalten korrespondieren. Zu analysieren ist dabei auch, welche Formen der Kommentierung und Glossierung sich finden lassen und welchen Aufschluss diese über den Gebrauch sowie die philologische Arbeit mit den Texten geben. Es soll ebenfalls ergründet werden, welche Texte von Zensur betroffen sind und in welchen Kontexten zensiert wurde. Dabei soll stets beachtet werden, für welche historischen und sozialen Kontexte die Handschriften geschaffen wurden und was sich aus ihrer Provenienz in Bezug auf eine mögliche Anwendung schließen lässt. Somit soll aufgezeigt werden, welche philologischen Praktiken die Wirksamkeit der magischen Formeln sichern sollten.