Dissertationsprojekt Constanze Metzger
Deutungsdimensionen der Dido-Figur im lateinischen Mittelalter
Fach: Lateinische Philologie des Mittelalters
Betreuerinnen: Prof. Dr. Claudia Wiener (LMU), Prof. Dr. Katja Weidner (Universität Wien)
Das lateinische Mittelalter kennt zwei Ausprägungen der Dido-Figur: Die eine ist die, die bei Vergil zu lesen ist (Aen. 4): Als Aeneas sie verlässt, um Rom zu gründen, schwört sie ihm in rasender Leidenschaft Rache und nimmt sich das Leben. Die rasende Dido wird im Mittelalter breit rezipiert: in einer Vielzahl von lateinischen Bearbeitungen des Trojastoffs (u.a. Carmina Burana 98 ̶ 100, Ylias des Simon Aurea Capra), Kommentare zum Schultext Aeneis (Fulgentius, (Ps.) Bernardus Silvestris) und volkssprachlichen Adaptionen wie den Eneasromanen. Daneben gibt es noch eine andere, die keusche Dido. Sie ist seit dem späten zweiten Jahrhundert zu finden, wo sie in explizit christlichen Texten zum Sinnbild der Enthaltsamkeit stilisiert wird (insb. bei Tertullian und Hieronymus, im Mittelalter etwa im Speculum virginum). Nach der Gründung Karthagos nimmt sie sich lieber durch Selbstverbrennung das Leben als ein zweites Mal zu heiraten, um so ihrem ersten, bereits verstorbenen Gatten nicht ‚untreu‘ zu werden. Diese ‚andere‘ Dido rekurriert dabei auf die als historisch verstandene Version vor Vergils Aeneis. Diese beiden kontrastiven Rezeptionsstränge der Dido-Figur laufen seit der Spätantike das lateinische Mittelalter hindurch parallel aber weitestgehend distinkt nebeneinander her, weshalb man von einer Dopplung der Dido-Figur sprechen kann. Das Dissertationsprojekt setzt sich zum Ziel, die Deutungsdimensionen und Facetten der Dido-Rezeption anhand eines umfassenden Corpus lateinischer Texte aus dem 2. bis 14. Jahrhundert nachzuvollziehen und ein vollständiges literatur- und kulturwissenschaftliches Bild der Figur für die lateinische Tradition bis in das späte Mittelalter zu entwerfen. Dabei soll ebenfalls untersucht werden, inwiefern die beiden Rezeptionsstränge bisweilen interferieren, metadiskursiv aufeinander Bezug nehmen und sich bei den Rezipierenden ein Bewusstsein für die Dopplung dieser Figur feststellen lässt. Über dem Projekt steht des Weiteren die allgemeine Frage, wie philologische Praktiken der Spätantike und des Mittelalters an antiken Texten (z.B. (allegorische) Kommentare, Accessus, Argumenta, Glossierungen in Manuskripten) deren weitere Rezeption voraussetzen, diachron beeinflussen, und speziell im Kontext der mittellateinischen Dido das Verständnis dieser Figur prägen.