Internationales Doktorandenkolleg Philologie
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Dissertationsprojekt Matthias Knallinger

Göttliches Wort und überlieferte Worte – Verstehen und Nicht-Verstehen bei der Tradierung des göttlichen Wortes in mittelhochdeutscher mystischer Lyrik des 14. und 15. Jahrhunderts [Arbeitstitel]

Der Umgang des Menschen gegenüber einer Form von göttlicher Wahrheit, der er sich auszusetzen hat, stellt einen häufig thematisierten Aspekt in christlich-mystischen Texten des Mittelalters dar. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht hierbei nicht selten das göttliche Wort, wobei das diesbezügliche Problemfeld ein vielschichtiges sein kann: So kommt zum einen immer wieder die Frage auf, ob es dem Menschen in seinem diesseitigen Wirken möglich ist, das göttliche Wort in seiner Fülle vollends zu verstehen. Zum anderen wird hieran anschließend ebenfalls die Art und Weise einer möglichen Aussprache dieses Wortes problematisiert.

Im Rahmen meiner Dissertation plane ich diese Auseinandersetzung mit dem göttlichen Wort in mittelhochdeutschen Formen mystischer Lyrik zu untersuchen. Hierbei lässt sich ein Modell philologischer Aktivitäten avant la lettre beobachten. So findet auf der einen Seite eine Form der Textrezeption statt, die bewusst Möglichkeiten der Wissensvermittlung und des Verstehens reflektiert: Auf welchem Weg kann tradiertes Wissen älterer Texte – hier handelt es sich um ein Wissen über göttliche Wahrheit – verstanden werden? Auf der anderen Seite wird ebenso die Frage thematisiert, welcher Modus auf produktiver Ebene der geeignete ist, um von einer Vorlage ausgehend nun wiederum einem neuen Publikum das aufgegriffene Wissen zugänglich zu machen. Aus philologischer Sicht interessant erweist sich in diesem Zusammenhang auch ein Aspekt des Nicht-Verstehens, der nicht zwangsläufig eine Abwertung erfährt, sondern gegenteilig sogar eine neue Perspektive auf einen Zugang zu göttlichem Wissen bildet.

Ich möchte meiner Untersuchung Texte zweier unterschiedlicher Gattungen als auch zweier aufeinander folgender Zeiträume zugrunde legen, wobei als Grundstein meiner Forschungsarbeit das mittelhochdeutsche Predigtwerk Meister Eckharts zu betrachten ist. Die volkssprachlichen Predigten des herausragenden Theologen des Dominikanerordens, dessen Wirken auf das erste Drittel des 14. Jahrhunderts zu datieren ist, umkreisen immer wieder das göttliche Wort in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen. Neben der Worttheologie des Meisters, mit der sowohl Schöpfungs- als auch Erlösungsgeschehen verbunden sind, gewinnt das Wort Gottes für den Prediger darüber hinaus vor allem in dessen Methoden der Bibelexegese an Bedeutung.

Hiervon ausgehend richtet sich mein Hauptaugenmerk auf mystisch geprägte Lyrikformen des späten 14. sowie des 15. Jahrhunderts. Ziel meiner Dissertation ist es, die protophilologische Auseinandersetzung der mystischen Lyrik mit den von Eckhart bezüglich des göttlichen Wortes erarbeiteten Zugängen, Verständnisformen und Theorien zu untersuchen.

Betreuerin: Prof. Dr. Susanne Reichlin