Internationales Doktorandenkolleg Philologie
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Dissertationsprojekt Enbo Hu

Vom Sūtra zur Praxis: Die Überlieferung der Verehrung der Bhaiṣajyagurus in Tibet und im Tangut-Reich


Fach: Buddhismus
Betreuer/innen: Prof. Dr. Jens-Uwe Hartmann (LMU), Prof. Dr. Johannes Schneider (BAdW)

Die Untersuchung dient als umfassende Fallstudie, die den Prozess der Umwandlung grundlegender buddhistischer sūtras, wie dem Bhaiṣajyagurusūtra (auch bekannt als Sūtra des „Medizinbuddhas“ oder „Heilender Buddha“), in rituelle Praktiken im Kontext des Mahāyāna-Buddhismus untersucht. Durch die Analyse der Texte, die sich auf den/die Bhaiṣajyaguru(s) beziehen, will diese Studie verstehen, wie sich ein sūtra von einer reinen Textschrift zu einer integrierten Praxis entwickelt, die liturgische Rituale umfasst. Die Analyse geht über die traditionelle Textanalyse hinaus, indem sie die Ritualanalyse aus der Perspektive der Religionswissenschaft einbezieht, die ein ganzheitlicheres Verständnis der Bedeutung des sūtras innerhalb des breiteren religiösen und kulturellen Kontexts bietet.

Ein wichtiger Beitrag dieser Forschung besteht darin, eine bedeutende Lücke in der textlichen Überlieferung des Bhaiṣajyagurusūtra zu schließen. Die Entdeckung einer alttibetischen Version der Liturgie des Bhaiṣajyaguru ist ein bemerkenswerter Fund, da es sich dabei um die einzige erhaltene Liturgie in alttibetischer Sprache zu handeln scheint. Diese Entdeckung wirft ein Licht auf die frühe Tradition der Verehrung der Bhaiṣajyagurus in Tibet und verbessert unser Verständnis der komplizierten Textübertragung von Indien nach Tibet und schließlich in das Tangutenreich. Die Liturgien der sieben Bhaiṣajyagurus, die persönlichen Anweisungen (upadeśa, man ngag), liturgische Riten (vidhi, cho ga), liturgische Methoden (chog sgrigs) und Rituale für das sūtra (mdo chog) umfassen, wie sie im tibetischen Tripiṭaka aufgezeichnet sind, dienen als entscheidende Bezugspunkte für diese Untersuchung.

Darüber hinaus identifiziert diese Untersuchung eine weitere verwandte Liturgie des Bhaiṣajyaguru, die in tangutischer Sprache verfasst ist und in tangutischen Manuskripten aus Kharo-Khoto (wörtlich: die Stadt des schwarzen Wassers) gefunden wurde. Diese Liturgie ist ein weiterer Beleg für die lebendigen religiösen Praktiken im Zusammenhang mit dem Bhaiṣajyaguru im Tangut-Reich und bietet Einblicke in die kulturübergreifenden Einflüsse und Anpassungen der buddhistischen Praktiken in verschiedenen Regionen.

Durch die Untersuchung des Prozesses der Ritualisierung des Bhaiṣajyagurusūtra unterstreicht diese Studie die dynamische Natur des Mahāyāna-Buddhismus, in dem sich die Schriften durch die Schaffung und Integration liturgischer Rituale zu lebendigen Praktiken entwickeln. Diese Transformation spiegelt die tiefgreifende Wirkung der buddhistischen Lehren auf das tägliche Leben und die spirituellen Bestrebungen der Praktizierenden wider.

Abschließend bietet diese Untersuchung eine wertvolle Fallstudie, die unser Verständnis dafür vertieft, wie sich grundlegende buddhistische sūtras im Kontext des Mahāyāna-Buddhismus zu rituellen Praktiken entwickeln. Die Entdeckung einer alten tibetischen Liturgie und einer tangutischen Liturgie zum Bhaiṣajyagurusūtra stellt einen bedeutenden Beitrag zur Textgeschichte dieser wichtigen buddhistischen Schrift dar. Diese Forschung wirft ein Licht auf die vielfältige und dynamische Natur buddhistischer Traditionen und die vielschichtigen Wechselwirkungen, die die Verehrungspraktiken der Bhaiṣajyagurus in Tibet und im Tangut-Reich geprägt haben. Durch diese Studie gewinnen wir ein umfassenderes Verständnis für den Reichtum und die Komplexität der buddhistischen Texttraditionen und rituellen Praktiken, was unser Verständnis der sich im Laufe der Geschichte entwickelnden Natur des Buddhismus bereichert.