Internationales Doktorandenkolleg Philologie
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Dissertationsprojekt Elisabeth Seidel

Die Musikdrucke aus der Offizin Adam Bergs

Fach: Musikwissenschaft
Betreuer/innen: Prof. Dr. Hartmut Schick (LMU), Prof. Dr. Irene Holzer (LMU)

Während in der bayerischen Reichsstadt Nürnberg um die Mitte des 16. Jahrhunderts bereits in stetig wachsendem Maße Musik gedruckt wurde, war die handschriftliche Musiküberlieferung im Umfeld des Münchener Hofs bis in die 1560er Jahre hinein das Mittel der Wahl. Der Notendruck in München setzt erst 1566 ein: Etwa ein Jahr zuvor war mit Adam Berg ein Drucker nach München gekommen, der, so scheint es, bereits im Umgang mit Notentypen erprobt war und sich als Hofdrucker der bayerischen Herzöge schließlich der Herausforderung der Musikpublikation im größeren Stil annahm. Obwohl Noten im Vergleich zu Bergs ‚normalen‘ Druckpublikationen nur einen kleinen Teil darstellen, entstanden bis zum Tod des Druckers 1610 mindestens 115 Musikdrucke in München. Sie enthalten, gerade in den ersten Jahrzehnten, vornehmlich Lieder, Motetten, Messen und weitere liturgische Gattungen von Komponisten der Münchener Hofkapelle, allen voran Orlando di Lasso und Ivo de Vento; mit der Zeit ist allerdings eine Diversifizierung der gedruckten Komponisten in Richtung anderer zentraler süddeutscher Höfe und Klöster zu beobachten.
Auch wenn Drucke aus der Offizin Bergs immer wieder im Rahmen von Editionen erschlossen wurden, ist das Medium Druck wenn überhaupt nur eine Marginalie in Publikationen zu den Werken der gedruckten Komponisten. Indem das Dissertationsprojekt nun die Drucke und ihre Medialität an sich ins Auge fasst, füllt es diese Lücke in der Forschung. Im Zentrum steht dabei die Frage nach den Publikationsstrategien, die in den Drucken zutage treten.
Als Quellenmaterial dienen vornehmlich die Musikdrucke selbst. Sie werden als in sich multimedial verstanden: Zum enthaltenen Noten-Repertoire treten Paratexte wie Titelblätter, Widmungen in Brief- oder Gedichtform und abgedruckte Druckprivilegien. Darüber hinaus gilt es, drucktechnische und -gestalterische Merkmale wie Typensatz und Initialen zu berücksichtigen: Sie können ebenfalls eindrucksvoll Auskunft über die Intentionen hinter einer Musikpublikation geben, sowie Indiz für eine Anpassung des Druckers an kompositorische Veränderungen im Repertoire sein. All diese Formen von paratextuellen Elementen machen, wie Genette feststellt, den Text zum Buch – in diesem Fall: Den Notentext zum Musikbuch.
Ein weiteres Kernthema des Dissertationsprojekt ist das ‚Sammeln‘, oder vielmehr Zusammenstellen von Kompositionen in Adam Bergs Musikdrucken. Die Frage nach den Kriterien, anhand derer die einzelnen Stücke innerhalb von Lied-, Motetten-, Chanson- und Madrigalsammlungen, aber auch im Rahmen von Bänden mit mehreren Messen oder Magnificat geordnet werden, ist bisher ebenfalls nur sporadisch in der Forschung behandelt worden. In der bestehenden Forschungsarbeit lag das Hauptaugenmerk in der Regel auf der Tonart der einzelnen Stücke. Gerade Adam Bergs Drucke zeigen aber, dass es sich lohnt, hier noch tiefer zu schürfen: In vielen Bänden spielen musikalische Kriterien – wie beispielsweise die Tonart – keine Rolle. Dafür erscheinen häufig Kompositionen mit besonders ‚einschlägigen‘ Texten, vor allem (religions-)politische Motetten, an prominenter Platzierung oder im Verbund mit thematisch passenden Stücken. Auch den Kompositionen zugrundeliegende Textgattungen können eine Ebene der ‚Sortierung‘ sein. Auf diese Weise kann im Extremfall die Zusammenstellung von Stücken und deren Sortierung selbst zu einer Art ‚Paratext‘ werden.
Die Produkte aus der Offizin Adam Bergs sind teilweise stark von der gegenreformatorischen, explizit katholischen Linie der Wittelsbacher-Herzöge geprägt. Dies gilt auch für einen großen Teil der Musikalien. Die Anbindung des Druckers und seines Handwerks – oder in Anbetracht so mancher Bände besser: Druck-Kunst – an einen Herzogshof stellt einen signifikanten Unterschied zum Musikdruck in der Reichsstadt Nürnberg dar. Gerade deshalb bietet sich, insbesondere im Falle von in beiden Städten gedruckten Komponisten wie Orlando di Lasso und Jacob Regnart, punktuell ein Vergleich der Druckprodukte an, die oft in kurzem Zeitabstand an beiden Orten erschienen: Werden andere Werke ausgewählt? Ist die Gestaltung und Zusammenstellung der Bände anders? Welche Zielgruppe könnte angesprochen werden?
Auf diesem Weg möchte das Dissertationsprojekt ein umfassendes Profil der Offizin Adam Bergs und ihres Netzwerks in Komponisten- und Empfängerkreise zeichnen. Die dabei erhobenen Forschungsdaten sollen nach Abschluss auch der Datenbank RISM (Répertoire International des Sources Musicales) zugutekommen.